Barry Jenkins und das Ringen um Hoffnung

Heute startet Beale Street in den Kinos, ein wunderbarer Film nach einer ebenso starken Romanvorlage von James Baldwin. Ich hatte die Ehre, bei der Deutschlandpremiere in Berlin das Bühnengespräch mit Barry Jenkins führen zu dürfen, dem Regisseur und auch Autor des oscarnominierten Drehbuchs. Es wurde Dank ihm eine spannende und launige Unterhaltung, bei der man u.a. erfahren konnte, dass er die Drehbücher zu Moonlight und Beale Street bereits 2013 und in nur wenigen Wochen schrieb – letzteres sogar in Berlin in der Dunckerstraße und ohne überhaupt die Rechte an dem Stoff zu haben. Auf den Autor der Vorlage hätte ihn wiederum eine Frau gebracht, in die er als junger Mann verliebt gewesen sei und die ihn zurückgewiesen habe. Jedoch nicht, ohne ihm bei der Abfuhr ein Buch von James Baldwin in die Hand zu drücken und zu sagen: „Hier, den solltest du lesen.“ Womit mal wieder bestätigt wurde: Es ist die unglückliche Liebe, die Kunst hervorruft … zumindest meistens.

 

Vor dem Treffen mit Barry Jenkins war ich unendlich nervös. Wegen der Bühnensituation an sich, aber auch, weil Moonlight zu meinen absoluten Lieblingsfilmen gehört. Es ist für mich in jeder Hinsicht ein Meisterwerk, was mir an Jenkins‘ Filmen jedoch besonders gefällt, ist das Ringen um Hoffnung, das sich nun auch in Beale Street findet. Er beschönigt nichts, zeigt das Leben in all seiner Härte und Trostlosigkeit, zeigt, wie Menschen beinahe brechen, zeigt Ungerechtigkeit und Leid, aber er verschwiegt trotzdem nicht – wie etwa viele andere Künstler – das Gute, das Liebevolle, das sich eben auch immer wieder findet; sogar in ausweglosen Situationen wie zwischen einer cracksüchtigen Mutter im Heim und ihrem inzwischen erwachsenen, wütenden, dealenden Sohn. Das ist für mich auch eine Form von Realismus. Es gibt große Kunst ohne Hoffnung, es ist wichtig, dass es sie gibt. Aber genauso wichtig sind Künstler wie Barry Jenkins, für mich vielleicht sogar noch mehr.

Ich war natürlich gespannt, wie die Begegnung mit ihm werden würde, und zu meiner großen Freude traf ich in Berlin auf einen bescheidenen, klugen, enorm schlagfertigen, einfühlsamen Menschen, der trotz des sicher anstrengenden Medienrummels an diesem Tag mit großem Spaß noch viele Fragen aus dem Publikum beantwortete und auch beim Essen danach jedem gegenüber zugewandt, wach und aufrichtig interessiert war.

Auf der Bühne ging das Gespräch am Ende darüber, dass das Beunruhigende an Beale Street ist, dass der Film wie die Romanvorlage zwar in den Siebziger Jahren in New York spielt, aber man nie das Gefühl hat, dass der darin gezeigte Rassismus und die wütend und fassungslos machende Ungerechtigkeit, die den Figuren widerfährt, aus einer anderen, längst überwundenen Zeit stammen. Der Film wirkt auf eine verstörende Weise aktuell, und dennoch verliert er unter der Regie von Jenkins nie ganz den Glauben an den Menschen. Vielmehr stellt er dem Ausweglosen etwas Poetisches, Humanistisches entgegen. Tish und Fonny sind im Gefängnis durch eine Glasscheibe getrennt, aber es gibt keine Glasscheibe zwischen ihnen und dem Zuschauer. Man ist ihnen immer nah und man spürt: Sie leiden, sie sind verzweifelt, sie sind desillusioniert – aber sie bleiben ungebrochen.