Nicht nur angesichts der vielen besorgniserregenden Nachrichten gerade habe ich lange überlegt, ob ich wieder diese Liste machen soll, denn: wer hat schon Lust, noch mal auf das vergangene Jahr zurückzublicken? Andererseits hat gerade 2020 gezeigt, wie wichtig Kunst und Kultur sind. Wenn mir etwas immer wieder durch die grauen Wochen geholfen hat, mich ablenkte oder sogar aufmunterte, dann Filme, Serien, Bücher und Musik. Und genauso deutlich fiel auf, wie schmerzlich vieles aus diesem Bereich vermisst wurde. Das Theater, das Kulturheim, das Kino, das Museum, der Club. Umso wichtiger, dass die Kulturbetriebe und Künstler*innen in Not in diesen Zeiten weiter unterstützt werden.
Da der Gang ins Kino in diesem Jahr also weitgehend ausfiel, gab es für mich nicht ganz so viele Highlights wie sonst. Aber LITTLE WOMEN und THE FAREWELL (letzteren unbedingt im chinesischen Original mit Untertiteln schauen) fand ich beide sehr, sehr gut. Ebenso den unfassbar spannenden und virtuos inszenierten DER SCHWARZE DIAMANT mit Adam Sandler in der Hauptrolle (der hier die Vermutung, die man schon bei früheren Filmen wie „Punch Drunk Love“ und „Reign Over Me“ hatte, endgültig bestätigte: dass er abseits seiner Quatschfilme als Schauspieler ein echter Oscarkandiat ist). Aber auch der vielgelobte PARASITE war phantastisch und ist nur zu empfehlen. Und zuletzt war SOUL ein echtes Filmglück, ein bisschen, als hätte man den „Kleinen Prinzen“ mit den Mitteln von heute erzählt.
Bei TENET, den ich in einem inzwischen fernen Paralleluniversum tatsächlich zweimal im Kino gesehen habe, bin ich hin- und hergerissen. Auf mich wirkte er zu kühl und manche Charaktere schablonenhaft. Andererseits: zu sehen, wie eine invertierte Kugel von einer Wand in die Waffe zurückfliegt oder eine Szene, in der sich gleichzeitig Menschen vorwärts und rückwärts durch die Zeit bewegen – dafür liebe ich die große Leinwand. Nach dem ersten Schauen war ich verwirrt und enttäuscht, nach dem zweiten begriff ich dann, wie genial Christopher Nolans Plan gewesen sein könnte: der Zuschauer SOLL den Film offenbar mindestens zweimal sehen. Beim zweiten Schauen reist er dann als quasi invertierter „Wissender“ zurück und gibt seinem früheren Ich wie beim „Pincer-Movement“ alle Informationen – so dass die einst verwirrenden Szenen nun plötzlich Sinn ergeben. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht, auf der Prämisse der Handlung herumzukauen, trotz mancher Logikfehler.*
Musikalisch dagegen war für mich die Band Nation of Language eine echte Entdeckung. Eine Mischung aus The War on Drugs, The National und 80s New Wave. Mir unerklärlich, dass nahezu alle Musikseiten/Magazine dieses großartige Album links liegen ließen und nicht mal besprachen. Und so verdanke ich diesen Fund einmal mehr meinem geliebten Internetradio Radio Paradise.
Da diese Liste auch ein kleines Bekenntnis zum Pop ist, hier ein Fun Fact: Was haben viele Hits von Katy Perry, Britney Spears, Pink, Taylor Swift, Ariane Grande, den Backstreet Boys und nicht zuletzt The Weeknd gemeinsam? Sie alle wurden vom Schweden Max Martin geschrieben. Aber egal, wie oft sein „Blinding Lights“ im Radio lief: der geniale Anfang kann einfach nicht totgespielt werden.
Beim Cover habe ich mich wie immer auf 15 Lieder beschränkt. Aber auf den Playlists auf YouTube und Spotify gibt es weitere Hits des Jahres, darunter mein aktueller Ohrwurm „Hin und Her“ von der Ostberliner Band Portmonee. Vor allem aber habe ich alle Jahres-Playlists, die ich von 2003 an erst an Freunde verschickt und später auf verschiedenen Facebookseiten gepostet habe, hier mal zusammengeworfen, zu einer einzigen Never-Ending-Playlist. Sie ist chronologisch geordnet, wie bei TENET reist man also musikalisch immer weiter zurück in der Zeit, je länger man hört – bis zu den Anfängen und dem Album „Room On Fire“ der Strokes, mit dem meine Musikleidenschaft begann.
Viel Spaß beim Hören der Songs, und allen ein möglichst schönes und vor allem gesundes, hoffnungsvolleres 2021. Möge es uns – nach einem vermutlich schwierigen Start – Stück für Stück unser Leben zurückgeben.
* ACHTUNG SPOILER: Warum zerstört die Wissenschaftlerin vor ihrem Suizid den Algorithmus nicht einfach, statt ihn umständlich in die Vergangenheit zu schicken? Und: Egal ob Neil der junge MaximiLIEN ist oder nicht, wie lief seine jahrelange oder sogar jahrzehntelange Reise in die Vergangenheit eigentlich ab, die ganze Zeit isoliert auf Schiffen? Wie funktioniert überhaupt die Verdauung bei umgedrehter Entropie? Aber egal. Ich hab den Film trotzdem gern gesehen.