Ein paar Gedanken nach Halle

Als ich von dem versuchten Amoklauf auf die Synagoge in Halle las, fühlte ich mich wütend. Betroffen. Traurig. Auf eine gewisse Weise war ich tagelang zu geschockt, um groß darüber zu reden, aber vielleicht traut man sich auch nicht immer, öffentlich etwas zu schreiben, nachdem in den letzten Tagen bereits so viel von Experten gesagt wurde. Doch jetzt, mit mehr Abstand, wird mir klar, dass das falsch ist. Denn letztlich sind wir alle Experten, wenn es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht. Und genau solche Ereignisse fordern uns dringendst dazu auf, uns alle noch sichtbarer zu machen und den Hass nicht einfach hinzunehmen. Sondern im privaten und öffentlichen Raum aufzustehen.

Bis heute ist es mir unbegreiflich, wie die berüchtigte „Vogelschiss“-Aussage so glatt durchgehen konnte. Es gab damals vielleicht ein großes mediales Echo, auch Empörung, aber richtig getan hat sich nichts. Es kann nur einen Grund dafür geben: Wir haben als Gesellschaft offenbar nicht genug unternommen, haben alle zusammen diesen und andere ungeheuerliche Aussprüche irgendwo zwischen Brexit, Trump, Katzenvideos, Social Media und Fußball-WM versanden lassen.

Es ist ein Glück und Geschenk, dass Jüdinnen und Juden nach allem, was unter den Nazis geschah, in Deutschland leben oder wieder hierher zurückgekehrt sind. Dass sie sich in diesem Land nicht nur nach Halle wieder unsicher fühlen und sogar Angst haben müssen, eine Kippa zu tragen, ist ein unerträglicher Zustand. Dass die Mehrheit zu all dem schweigt, auch. Wir leben in einer Zeit, in der fast immer das Trennende betont wird, statt das, was uns vereint. Es liegt an uns, das zu ändern. Mit Worten, mit Gesten, mit Taten, am besten auch bei den nächsten Wahlen. Wir alle zusammen müssen ein Signal aussenden, dass wir nicht nur eine stille, sondern eine laute, eine konstruktive, eine widerstandsfähige und eine mitfühlende und empathische Mehrheit sind.

Immer und immer wieder.

Es geht aber auch darum, dass wir einander zuhören. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich auf Texte stoße, die mich inspirieren oder zum Nachdenken bringen. Sehr berührt haben mich die Worte von Linda Rachel Sabiers.

Inspirierend finde ich auch, wie vehement sich der Musiker Felix Kummer in Chemnitz positioniert und nicht klein beigibt.

Und diesen Text von Sibylle Berg wollte ich schon lange teilen, gerade die letzten Absätze gegen Hetzer und Populisten kann man so in Stein meißeln.

„Und jetzt sagt es mir, ganz ehrlich, wie fühlt ihr euch?“, schreibt Linda Rachel Sabiers. Diese Frage und die Antwort darauf geht jede und jeden von uns an, mehr denn je.