In Zeiten des Krieges

An einem Tagen wie heute, an dem Russland die Ukraine überfällt und unzählige Menschen für die Pläne eines fehlgeleiteten Autokraten und im Grunde Diktators sterben, verliert man den Geschmack für die Welt, wird alles dunkel und schwarz. Und dann denkt man an seine russischen Freunde, die ausnahmslos alle bestürzt von dieser Entwicklung sind, aber vor allem denkt man an die Menschen in Kiew oder Donezk, die gerade Angst um ihr Leben haben. An die Sicherheit der restlichen Welt, die bedrohter ist denn je.

Sechs Jahre ist es her, dass ich zweimal mit dem Zug durch Russland reiste, mit vielen Menschen auch über Putin sprach; solchen, die ihn verteidigten, solchen, die ihn erbittert angriffen und seine Vergehen aufzählten. Was mir damals am stärksten in Erinnerung blieb, war ein Gefühl dafür, dass eine große Chance verpasst wurde, nach der Wende dauerhaft einen Frieden zwischen dem Westen und Russland zu sichern. Aber mit wem ich auch unterwegs sprach, die wenigsten von ihnen hätten mit dem gerechnet, was heute passiert ist. Es gibt keine Begründung dafür, keine Rechtfertigung.

Es ist Putins alleiniger, wahnsinniger Angriffskrieg, er macht sprachlos und wütend, er bringt Tod und Leid. Und er droht nur der Anfang einer anderen Zeit zu sein, denn er greift nicht nur ein Land, sondern all unsere europäischen Demokratien und Werte an. Zum ersten Mal seit den Jugoslawienkriegen werden auf diesem Kontinent Bomben abgeworfen; man muss kein geopolitischer Experte sein, um zu verstehen, dass der heutige Tag die Welt in ein Davor und Danach teilen wird. Alle hoffenden, solidarischen, bangenden und mitfühlenden Gedanken gehen an die Ukrainer*innen!

Damals in der Transsibirischen waren in meiner Kabine drei russische Soldaten, die zur Militärakademie nach St. Petersburg reisten, sich nicht unbedingt darauf freuten und auch höchst unterschiedliche Meinungen zu Putin hatten. Und genauso sprach ich auf der ersten Fahrt mit einem Paar aus Odessa, das russische Verwandte in Novosibirsk besuchte, wenn ich mich richtig erinnere. Ich sehe noch vor mir, wie sehr sie sich darauf freuten, wie unbeschwert es war.

An einem schrecklichen Tag wie heute sind wir alle betroffen, egal, wo in Europa wir uns befinden. Als jemand, der in den Neunzigern nach dem Ende des Kalten Kriegs aufwuchs, wird einem bewusst, dass man den Frieden lange für viel zu selbstverständlich nahm. Dass wir alle etwas dafür tun und gemeinsam dafür einstehen müssen. Oder wie es Kiews Bürgermeister Klitschko sagte: Es gibt keine Demokratie ohne Demokraten.