Vergangene Woche war ich im Hotel Matze zu Gast. Tatsächlich wird es für unbestimmte Zeit das letzte Interview auf Deutsch sein*. Wieso, kann man im Podcast nachhören. Und ich sage „unbestimmt“, weil ich wirklich keine Ahnung habe, was die Zukunft bringt oder wie lange diese Pause sein wird. Ich muss zugeben, dieses Gespräch fiel mir anfangs nicht leicht. Weil die Welt gerade wirklich andere Sorgen hat. Und weil es mein erster richtiger Podcast war und sehr ungewohnt, so ausführlich über Persönliches in der Öffentlichkeit zu sprechen. Ich suche noch immer die Worte für die Brüche in der Kindheit und Jugend, für Momente der Verwahrlosung damals zu Hause, für die Balance zwischen Liebevollem und Schwierigen oder depressivere Phasen heute. Ich bin auch jetzt bei diesen Themen nicht in die Tiefe gegangen, aber es waren erste vorsichtige Tippelschritte. Denn es hat mich selbst oft inspiriert und ermutigt, wenn andere sich öffneten.
Im Gespräch geht es auch um Kinder, die sich um psychisch kranke Eltern kümmern, aber so etwas hört ja nicht auf, wenn man älter wird; es spielt im Erwachsenenleben oft sogar eine noch größere Rolle. Ich bin da am Schluss im Gespräch leider etwas schwammig, rede nur von „nicht zurücklassen“. Aber es gibt Situationen, da ist man vielleicht tatsächlich die letzte Person, die ein anderer Mensch noch hat, und ich habe mich ehrlich gesagt einfach nicht getraut, tiefer zu gehen. Etwa darüber zu reden, wieso ich den mehrmals erwähnten Film Moonlight wegen einer Szene für immer lieben werde: Der dealende Sohn wendet sich am Ende beim Besuch im Heim nicht ab und kehrt bei einem Streit doch wieder zur Mutter zurück, ringt trotz aller Bitterkeit weiter um Liebe und Versöhnung.
Denn man zahlt einen Preis, wenn man irgendwann im Laufe von Jahrzehnten entkräftet geht, weil man nicht mehr kann. Aber man zahlt ihn manchmal fast noch mehr, wenn man bis zum Schluss bleibt und nicht loslässt. Und ich habe mich leider auch nicht getraut, über den Song Kaputt von Wir sind Helden zu sprechen, der das alles aufgreift, auch das Liebevolle, das es genauso gibt. Ein Lied, das für mich unglaublich wichtig war, das mich ein paarmal aus finstersten Momenten rettete und dessen Refrain lautet:
„So viel kaputt / aber so vieles nicht / jede der Scherben / spiegelt das Licht.“
Sehr bedanken möchte ich mich bei Matze Hielscher, der schlaue und tiefe Fragen stellte und empathisch auf meine Nervosität reagierte. Apropos: Wie immer redete ich vor Aufregung schnell, gefühlt buzzere ich bei manchen Fragen auch wie ein durchgeknallter „Jeopardy“-Spieler dazwischen und nuschele fix die Antwort, zumindest kam es mir so vor; wenn ich etwa Leserinnen und Autorinnen sage, meinte ich natürlich Leser*innen und Autor*innen, etc. Aber Matze gab mir immer das Gefühl, dass alles okay ist und seinen Platz hat, und für diese Zugewandtheit bin ich sehr dankbar. Und vielleicht kehre ich ja eines Tages wirklich noch mal auf einen Besuch in sein Hotel zurück.
Es war in diesen sorgenvollen Tagen jedenfalls nicht die Zeit, um launig ein paar lustige Anekdoten rauszuhauen. Aber es war dafür das vielleicht ehrlichste Gespräch, das ich gerade hinbekommen konnte. Falls ihr reinhört, wünsche ich euch viel Spaß, hier ist der Link.
Das also mal interviewtechnisch fürs Erste bis hierhin, jetzt freue ich mich auf das Zuhören.
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*Im Lockdown letztes Jahr machte ich noch ein Literaturgespräch, aber das ist bisher nicht erschienen. Und weil es auf Facebook ein paar Nachfragen gab: Ich meinte mit der Pause wie gesagt Interviews, nicht zum Beispiel Neues auf dieser Homepage, und mit dem pausierten Schreiben die Romane und das jahrelange Commitment, das sie verlangen. Kurzgeschichten dagegen habe ich mir erlaubt, um nicht total aus der Übung zu kommen. Und ein Sachbuch über das Schreiben war schon so gut wie fertig. Ich werde es jetzt zwar erst mal zur Seite legen, um anderes zu machen, aber je nachdem wird es irgendwann in den nächsten Jahren erscheinen.
Foto: Matze Hielscher